Die Bibel hat doch recht – zum Glück! An der Ostküste der USA hat ein Buckelwal einen Taucher verschluckt und über Wasser wieder ausgespuckt – wahrlich ein biblisches Glück. Das erinnert doch an das Buch Jona! Und dann erklärt auch noch ein Walexperte, dass der Buckelwal mit seiner Tat dem Taucher helfen wollte (siehe "Wie der Prophet Jona. Biblisches Glück: Wal verschluckt Mann, lässt ihn aber wieder frei" vom 13. Juni 2021 auf katholisch.de). Schöne Geschichte mit Happy-End, Gott sei Dank! Doch ein „clickbait“ - also ein Klickköder - ist noch keine Glaubensverkündigung, sondern nur ein Mittel, um höhere Zugriffszahlen zu erlangen.
Doch beim Angeln ist der Köder nie von Vorteil für den Fisch; und auch der Angler hat wenig Interesse am Köder. Als Menschenfischer kann man nur hoffen, dass dieser Buckewal nicht von Gott gesendet wurde und der Taucher kein flüchtender Prophet ist – ansonsten läuft bald eine ganze Weltmetropole in Sack und Asche, oder wird vernichtet werden. Wunder ohne Gottesbezug sind nur ein Kuriosum; die Frage ist doch, wo die theologische Aussage bleibt.
Im Buch Jona verschlingt der „große Fisch“, beauftragt von Gott, den Propheten Jona und speit ihn am Festland wieder aus (Jona 2,1.11). Jona hatte versucht auf einem Boot vor Gott und dessen Auftrag an ihn zu flüchten, doch seine Flucht endete im stürmischen Meer, in das er sich werfen ließ. Im Bauch des Fisches geschieht dann die Kehrtwende Jonas und er antwortet seinem Gott:
"Da betete Jona zum HERRN, seinem Gott, aus dem Inneren des Fisches heraus." (Jona 2,2)
Der „große Fisch“ steht für Gottes souveräne Verfügungsgewalt. Gott schickt ihn nicht nur einfach, sondern „bestimmt“ (מנה) ihn zu dieser Aufgabe. Gott verfügt somit nicht nur über die Naturgewalten, wie den Wind (siehe Jona 1,4), sondern auch über seine Geschöpfe (vgl. Genesis 1,21). Dass der große Fisch den Propheten Jona „verschlingt“ deutet großes Unheil an. Das hier verwendet Verb (בלע) ist in den Psalmen ein Ausdruck für größte Gefahr oder steht gar für die Vernichtung. Doch aus dem gefährlichen Tier wird stattdessen ein sicheres Transportmittel und ein Ort der Begegnung mit Gott. Im Bauch des großen Fisches betet Jona, er spricht einen Psalm, in dem er Gott dankt (Verse 2-10) und abschließend bekennt:
"Vom HERRN kommt die Rettung." (Jona 2,10)
Gott antwortet nicht auf Jonas Psalm, doch er spricht, indem er gebietet:
"Da befahl der HERR dem Fisch und dieser spie den Jona an Land." (Jona 2,11)
Der letzte Teilvers kann auf zwei unterschiedliche Weisen übersetzt werden: „und er [der große Fisch] den Jona auf das Trockene ausspie“ oder „und er [Gott] den Jona ausspeien ließ“. Klar ist jedoch, dass das Verb, das passend auch ekelerregend mit „kotzen“ übersetzt werden kann, in gewisser Weise einen würdelosen Umgang mit Jona zum Ausdruck bringt. Jona ist das Erbrochene des Fisches. Und Jona gelangt so zurück auf das trockene Festland, das zuvor im Seesturm allein durch menschliche Handlung nicht erreichbar war (Jona 1,13). Nur der Gott, der von Jona zuvor als „Gott des Himmels, der das Meer und das Festland gemacht hat“ bekannt gemacht worden war (siehe Jona 1,9), bringt ihn wieder zurück ans Festland, um seinen prophetischen Auftrag zu erfüllen. Was für eine Geschichte! Was für eine theologische Aussage!
Schön, dass es dem Taucher an der US-amerikanischen Ostküste gut geht; und gut, dass der Buckewal sich nicht verschluckt hat. Vielleicht wird einer der beiden eines Tages mal im Mittelmeer schwimmen; einzelne Sichtungen von Buckelwalen gab es dort in den vergangenen Jahren. Das Buch Jona ist auch ohne diese Geschichte Gottes Wort; wegzulaufen funktioniert nicht! Es zu lesen, lohnt sich. Eine Kommentierung des gesamten Buches Jona finden Sie unter: "Das Buch Jona: Gegen Gott".
Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktionsleitung von In Principio wieder. Der Text ist parallel auch auf dem Blog-Projekt "Dei Verbum" erschienen.