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Frohes Fest der Beschneidung

Gott ist Jude geworden - und das sollte die Kirche feiern!

"Beschneidung Jesu", Frauenkirche in Esslingen, fotografiert von Dierk Schaefer, Lizenz: CC BY-ND 2.0.
"Beschneidung Jesu", Frauenkirche in Esslingen, fotografiert von Dierk Schaefer, Lizenz: CC BY-ND 2.0.

Gott ist Jude geworden. Gemäß den jüdischen Vorschriften wurde Jesus am 8. Tag nach seiner Geburt in Betlehem beschnitten – und das gilt es zu feiern. Bis 1969 wurde in der katholischen Kirche am 1. Januar das Fest der Beschneidung des Herrn gedacht – denn es steht geschrieben:

"Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus …" (Lukas 2,21)

Gott ist nicht nur in einem konkreten, historischen Kontext Mensch geworden. Sondern er ist ein Angehöriger einer Gesellschaft, Kultur und Religion geworden – und hat doch zugleich alle Grenzen überschritten. Ohne das Fest der Beschneidung des Herrn fehlt der Katholischen Kirche in ihrem liturgischen Kalender eine entscheidende theologische Dimension der Menschwerdung Gottes. Das Tagesevangelium berichtet von der Beschneidung Jesu (Lukas 2,16-21) – warum sollte dann die Katholische Kirche nicht auch namentlich an diesem Tag dies feiern? So wie es zum Beispiel die orthodoxen Kirchen bis heute tun und es auch in der außerordentlichen Form des römischen Ritus bis heute vorgesehen ist.

RADIKAL
 
Das Gedenken an die Beschneidung Jesu wäre zudem eine Besinnung auf die abrahamitische Wurzel des Christentums, die die drei monotheistischen Religionen des Judentums, Christentums und Islams verbindet. In Genesis 17 wird Abraham von Gott zum „Stammvater einer Menge von Völkern“ gesegnet und Gott schließt mit Abraham und allen seinen Nachkommen einen Bund, ein unzertrennliches Band. Gott sichert Abraham zu:

"Für dich und deine Nachkommen nach dir werde ich Gott sein." (Genesis 17,7)

Für Israel bedeutet dies:

"Dir und deinen Nachkommen nach dir gebe ich das Land, in dem du als Fremder weilst, das ganze Land Kanaan zum ewigen Besitz und ich werde für sie Gott sein." (Genesis 17,8)

Als Zeichen dieses Bundes erwählt Gott die Beschneidung als von den Nachkommen Abrahams zu leistender Verpflichtung:

"Dies ist mein Bund zwischen mir und euch und deinen Nachkommen nach dir, den ihr bewahren sollt: Alles, was männlich ist, muss bei euch beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld erworben von irgendeinem Fremden, der nicht von dir abstammt. Beschnitten werden muss der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen." (Genesis 17,10-14)

In der Beschneidung drückt sich die Zugehörigkeit zum Gott Israels aus. Sie ist das Zeichen der Zuwendung Gottes zu seinem Volk und sie zeigt die Zugehörigkeit zur religiösen Kultgemeinschaft an, die nicht nur aus Erwachsenen, sondern auch aus den Kindern, Babys sowie Sklaven besteht. Der Familienvater hat dafür zu sorgen, dass alle, die in seinem Haus leben, dieser Kultgemeinschaft anhören. Und so darf selbst ein nicht-israelitischer Sklave, der beschnitten wurde, am Pessachmahl teilnehmen und der Befreiung Israels aus Ägypten gedenken und sie feiern (Exodus 12,43-44).

ENTSCHEIDEND


Im altorientalischen Kontext war es nicht unüblich, dass Kinder beschnitten wurden. Aber diese Tradition entwickelte sich in Israel zu einem entscheidenden Identitätsmerkmal – zuerst im babylonischen Exil und als Kampfsymbol für die Treue zum jüdischen Glauben in der Zeit des Hellenismus. Antiochos IV. Epiphanes eroberte 167 v. Chr. Jerusalem und machte daraus eine griechische Stadt. Er weihte den Tempel dem griechischen Gott Zeus und die Beschneidung wurde von ihm verboten:

"Frauen, die ihre Kinder hatten beschneiden lassen, wurden auf Befehl des Königs hingerichtet; dabei hängte man die Säuglinge an den Hals ihrer Mütter. Auch ihre Familien brachte man um samt denen, die die Beschneidung vorgenommen hatten." (1 Makkabäer 1,60-61)

Die Beschneidung wurde zum Widerstand gegen weltliche Unterdrückung, weil es ein Zeichen der Zugehörigkeit zum Gott Israels war:

"Wer sich aber nicht entschließen wolle, zur griechischen Lebensweise überzugehen, sei hinzurichten. Da konnte man nun das Elend sehen, das hereinbrach. Man führte nämlich zwei Frauen vor, die ihre Kinder beschnitten hatten. Darauf hängte man ihnen die Säuglinge an die Brüste, führte sie öffentlich in der Stadt umher und stürzte sie dann von der Mauer." (2 Makkabäer 6,9-10)


BUNDESTREUE
 
Jesus war Jude. Maria und Josef haben ihn gemäß dem alttestamentlichen Gesetz beschnitten, wie es Abraham und seinen Nachkommen als Bundeszeichen befohlen wurde – und wofür Juden in der Menschheitsgeschichte immer wieder zur Ehre Gottes in den Tod gegangen sind. Ohne das Gedenken an die Beschneidung Jesu läuft die Katholische Kirche Gefahr einen wichtigen Aspekt der christlichen Identität zu vergessen: Gott ist nicht nur Mensch geworden, er ist Jude geworden und somit in den unzerbrechlichen Bund zwischen Gott und seinem Volk auch als Mensch eingetreten – und das ist grundlegend wichtig für die unbeschnittene Christenheit aus den Völkern.