Fasten-Provokation

Hochzeit statt Fastenzeit?

"Fasting", fotografiert von Dr Jean Fortunet. Lizenz: CC BY-SA 3.0.
"Fasting", fotografiert von Dr Jean Fortunet. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Der Codex Iuris Canonici, das Gesetzbuch des Kirchenrechts der römisch-katholischen Kirche, definiert die 40-tägige sogenannte Fastenzeit als Bußzeit, in der am Aschermittwoch und Karfreitag Fasten einzuhalten ist (Canon 1251). Gemäß den Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz bedeutet dies, dass an diesen beiden Tagen nur eine sättigende Mahlzeit eingenommen (Fasten) und auf Fleischspeisen verzichtet (Abstinenz) werden soll. Und in der österlichen Bußzeit soll die Umkehr der Gläubigen zu Gott im Mittelpunkt stehen: "Denn er [Jesus] hat in der Wüste vierzig Tage gefastet und durch sein Beispiel diese Zeit der Buße geheiligt", so heißt es in der Eröffnung des Hochgebets des Ersten Fastensonntags. 

Im Matthäusevangelium wird berichtet, dass Jesus 40 Tage und 40 Nächte in der Wüste gefastet hat. (Matthäus 4,2, vgl. Lukas 4,2). Aber der Text erklärt nicht, warum oder wozu Jesus auf Nahrung verzichtet hat. Erzählt wird nicht, dass das Fasten dazu diene zu Gott umzukehren oder sich auf eine Gottesbegegnung vorzubereiten – sondern das Fasten führt hin zu der Begegnung mit dem Teufel! Das Fasten macht Jesus nicht immun gegen die Versuchung des Bösen, sondern ist gerade das Einfallstor für den Satan, der ihm anbietet seinen Hunger zu lindern (Matthäus 4,3-4). Jesu besteht – gestärkt durch diesen unmenschlichen, vierzigtägigen Verzicht auf Speise und Trank? – die Versuchungen. 

Nicht nur kann kein Mensch ohne Gottes Hilfe 40 Tage fasten – nein, darüber hinaus fällt in den sogenannten synoptischen Evangelien (Markus, Matthäus und Lukas) auf, dass Jesus sich deutlich vom Fasten distanziert. Er, der als „ein Fresser und Säufer“ bezeichnet wird (Matthäus 11,19) weist die Frage der Jünger Johannes‘ des Täufers zurück, warum denn seine Jünger nicht wie sie und wie die Pharisäer zweimal wöchentlich freiwillig fasten. Seine Antwort überrascht: „Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ (Matthäus 9,14). Wie könnte man denn im Angesicht des kommenden Himmelreiches fasten? Freude sei die richtige Reaktion. Doch die Antwort Jesu ist noch nicht zu Ende: „Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam weggenommen sein; dann werden sie fasten“ (Vers 15). War also nur die Zeit, als Jesus in unserer Welt bei seinen Jüngern war, eine Hochzeit der Freude? Und seit seiner Himmelfahrt leben wir in einer Zeit der Trauer, der Umkehr und somit des Fastens? – Einer solchen Deutung widersprechen die letzten Worte Jesu im Matthäus-Evangelium vehement: „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ – die Freude über Jesus, sein Leben, sein Sterben und sein Auferstehen gilt ewig.

Bereits in der frühesten Kirchenordnung der Christenheit, der Didache, die wahrscheinlich bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. in Syrien entstand, kehrten die ersten Christen wieder zur pharisäischen Praxis zurück und hielten zweimal in der Woche, mittwochs und freitags, ein freiwilliges Fasten. Doch die Mahnung des Kolosserbriefes klingt bis heute durch die Kirchengeschichte: „Wenn ihr mit Christus den Elementarmächten der Welt gestorben seid, warum lasst ihr euch dann, als würdet ihr noch in der Welt leben, vorschreiben: Berühre das nicht, iss das nicht, fass das nicht an! Das alles wird verbraucht und dadurch vernichtet. Menschliche Satzungen und Lehren sind es. Man sagt zwar, in ihnen liege Weisheit, es sei freiwillige Frömmigkeit und Unterwürfigkeit, den Leib nicht zu schonen. Doch das bringt keine Ehre ein, sondern dient nur zur Befriedigung irdischer Eitelkeit“ (Kolosser 2,20-23). Alle selbstgemachte Frömmigkeit – es gibt kein biblisches Fastengebot! -, also auch alle festgelegten Fastentage bringen allein durch das Ritual keine Ehre. Ein solches ‚Heilfasten‘ dient oft nur dazu die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. 

Doch der so-bezeichnete 'Säufer und Fresser“', der die Christen und Christinnen als Bräutigam zur Hochzeit einlädt und Grund zu ewiger Freude ist, redet im Matthäus-Evangelium auch positiv vom Fasten: „…wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ (Matthäus 6,17-18). Es besteht kein Zweifel: Fasten kann für die Stärkung der Gottesbeziehung eine bedeutende Rolle spielen (siehe auch: „Fastet wie im Alten Testament!“)! Doch es ist kein sichtbares Merkmal des Christ-Seins!

 

Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktionsleitung von In Principio wieder.

Bildquelle: "Fasting", fotografiert von Dr Jean Fortunet. Lizenz: CC BY-SA 3.0.