Die Adventszeit ist der verkaufsstärkste und finanziell bedeutendste Zeitabschnitt des Jahres. Der Konsum blüht – der Wirtschaft tut das gut, Arbeitsplätze werden gesichert, Freude wird gekauft und alles mischt sich mit dem Geschmack von Glühwein und Christstollen. Für den, der es sich leisten kann, gibt es keinen Grund, diese Zeit nicht zu genießen. Konsumkritik ist keine schöne Dekoration und passt weder zum Kerzenschein des Adventskranzes noch als Stern auf den Weihnachtsbaum.
Trotz allem Konsums steigt jedes Jahr im Dezember auch die Spendenbereitschaft: 2016 wurden im letzten Monat des Jahres mit Blick auf Weihnachten – und vielleicht auch auf die kommende Steuererklärung – 1,2 Milliarden Euro gespendet. Durch Konsum muss der Wunsch nach Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit nicht verloren gehen. Die eigentliche Krux ist jedoch das Zusammenspiel von Konsum und Mitmenschlichkeit, wie es drastisch bereits in den Worten des Propheten Amos ausgedrückt ist.
BLINDHEIT
Es sich gut gehen zu lassen, ist kein Verbrechen – wem will man es verwehren? In einem Ledersessel am Kaminfeuer sitzen, im frischgemachten Bett warm einschlafen, ein saftiges, argentinisches Steak zum Abendessen bekommen und den Körper mit den neuesten Pflegeprodukten verwöhnen. – wem will man das verwehren? In den Worten des Propheten Amos:
"Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Musikinstrumente erfinden wie David. Ihr trinkt den Wein aus Opferschalen, ihr salbt euch mit feinsten Ölen, aber über den Untergang Josefs sorgt ihr euch nicht." (Amos 6,4-6)
Die prophetische Kritik wendet sich gegen die Sorglosen und Selbstsicheren in Jerusalem, die in ihrem Wohlstand das Leid um sich herum nicht mehr wahrnehmen. Die Kritik trifft nicht nur den ausschweifenden Lebensstil, sondern sie sticht ins Herz, in die daraus resultierende Blindheit gegenüber der Armut und dem Leid. Selbst eine Geldspende kann diese Art der Blindheit nicht kurieren, sie kann sie nur lindern. Nur wenn die konsumierbaren Lebensinhalte des Wohlstandes nicht aus der Ausnutzung und Unterdrückung anderer resultieren, findet man in ihnen den Frieden des Gerechten. Kann ich mich an einem Geschenk erfreuen, dessen Produktion Umweltverschmutzung, Unterdrückung und Ausbeutung verursacht? Man könnte es sich einfach machen und den Zeigefinger auf die Hersteller richten, deren Produkte man kauft:
"Hört dieses Wort, die ihr die Armen verfolgt, und die Gebeugten im Land unterdrückt! Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei, dass wir Getreide verkaufen, und der Sabbat, dass wir den Kornspeicher öffnen können? Wir wollen das Hohlmaß kleiner und das Silbergewicht größer machen, wir fälschen die Waage zum Betrug, um für Geld die Geringen zu kaufen und den Armen wegen eines Paares Sandalen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld." (Amos 8,4-6)
Die prophetische Kritik klagt mit geschärfter Zunge diejenigen an, die auf dem Rücken der Armen Gewinn machen, die gesellschaftliche, soziale und religiöse Normen nicht einhalten und denen selbst Betrug ein angemessenes Mittel zur Gewinnmaximierung ist. In den Worten werden die Schattenseiten der Raffgier und des Kapitalismus sichtbar – es werden Personen beschrieben, die man abstoßend findet. Aber trifft diese Kritik nicht auch diejenigen, die von diesen Schattenseiten profitieren? Gott steht immer auf der Seite der Armen und der Unterdrückten; er steht nicht an der Seitenlinie bei denen, die mitleidig auf die Ausgebeuteten schauen und die Ausbeuter nicht beachten.
FESTLICH-SOZIAL
Der Prophet Amos verweist im Besonderen auf das Neumondfest und den Schabbat als religiöse Feste, die die Raffgierigen nicht beachten. Sie ignorieren nicht nur ein Gesetz Gottes, sondern auch die dahinterstehende Intention. Der Schabbat zum Beispiel hat auch eine soziale Funktion und soll ein Ruhetag für alle sein (vgl. Deuteronomium 5,14), selbst für die Sklaven, Nicht-Israeliten und das Vieh. Festzeiten sind zum Wohl aller Menschen und nicht nur für einige Auserwählten geschaffen. Selbst Konsum kann besinnlich sein, wenn im Mittelpunkt nicht nur das eigene Wohl, sondern auch das Wohl der Anderen steht.